13.04.2023
Ein neues Bewertungsverfahren treibt den Immobilienwert in die Höhe. Für die Kinder und Enkel kann das teuer werden. Experten raten, wie man zu hohe Belastungen vermeiden kann.
Ist eine Immobilie ein Garant für Werterhalt und Vermögensaufbau, gerade für die nachfolgende Generation? Fabian Thaler, Prokurist der TOP Vermögen AG aus Starnberg, ist sich da nicht mehr sicher. Zwei Gründe sorgen für Skepsis bei dem Anlageexperten: „Das neue Bewertungsverfahren bei Immobilienerbschaften sorgt für Unsicherheit und zwingt mehr Erben als früher zum Verkauf“, sagt er. „Auch die immer höheren Kosten einer Sanierung können zu einer Belastung werden“, so Thaler. Sein Fazit: „Die Immobilie als wertvolles Erbstück ist kein Selbstläufer mehr.
„Probleme mit der Erbschaftsteuer bekommen vor allem Hinterbliebene, die ein Haus in guter Lage erben. Hier schlagen die in den vergangenen Jahren erzielten Wertzuwächse von Häusern und Wohnungen stärker zu Buche als bisher. Denn der Gesetzgeber hat einen vom Verfassungsgericht als unzulässig eingestuften Steuervorteil bei Immobilien beseitigt und das Bewertungsverfahren geändert. Besonders stark macht sich die Erhöhung des sogenannten Sachwertfaktors in der Wertermittlung bemerkbar. Dieser Faktor kann nun dazu führen, dass statt eines Vermögenswertes von 500.000 plötzlich 700.000 Euro festgestellt und damit die Steuerfreibeträge weit überschritten werden.
Für Vermögensexperte Thaler steht fest: Um eine Immobilie so zu vererben oder zu erben, dass man sie über eine Generation hinweg auch halten kann, muss mehr getan werden als bisher. Eigentümer und Erben sollten eine Immobilien-Finanzbiografie schreiben. Das bedeutet: den Zustand des Gebäudes regelmäßig einer ehrlichen Prüfung unterziehen. Und parallel weiteres Vermögen aufbauen, um im Bedarfsfall die Kosten für Steuern oder Sanierung stemmen zu können.
Auch in weniger begehrten Lagen sind die Preise gestiegen, sodass eine Beispielrechnung wie diese selbst in vermeintlich unattraktiven Vororten mittelgroßer Städte plausibel erscheint: Ein Finanzamt ermittelt für ein 150- Quadratmeter-Einfamilienhaus im Erbfall einen Gebäudesachwert von 150.000 Euro (Herstellungskosten multipliziert mit Quadratmetern abzüglich Alterswertminderung). Das klingt wenig, doch oft wird unterschätzt, wie sehr die Bausubstanz im Laufe der Jahre leidet. Pauschal sollten Eigentümer mit zwei Prozent Abschreibung pro Jahr rechnen. Der wahre Treiber des Vermögenswerts ist das Grundstück. Steht das Einfamilienhaus beispielsweise auf einer 800 Quadratmeter großen Liegenschaft mit 500 Euro Bodenrichtwert – nach Jahren des Wertanstiegs – , kommen 400.000 Euro dazu. Der Immobilienwert beträgt somit 550.000 Euro.
Das ist aber nur der reine Verkehrswert. Erst jetzt fängt das Finanzamt an zu rechnen. Sofern die Behörde gemäß neuer Regelung einen höheren Sachwertfaktor – häufig wird 1,4 statt eins als Multiplikator angenommen – anwendet, springt die ermittelte Gesamtsumme auf 770.000 Euro. Selbst für Kinder als Erben mit Steuerklasse 1 wären dann statt bisher 16.500 Euro nun 55.000 Euro Erbschaftsteuer zu zahlen.
Eine der bekannteren Strategien, um einer finanziellen Überlastung der Erben vorzubeugen, ist die rechtzeitige Schenkung: Der oder die Erblasser übertragen den Erben zu Lebzeiten einen Teil der Immobilie, beispielsweise in Höhe des Steuerklasse-1-Freibetrags von 400.000 Euro. Mithilfe eines Notars werden lebenslanges Wohnrecht oder Nießbrauch vereinbart, sodass die Eltern sicher sein können, auch im Streitfall in der eigenen Immobilie wohnen bleiben zu können. In den meisten Fällen reicht eine Schenkung aus, um die Kinder auf sicheren Abstand zur Besteuerungszone zu bringen. Allerdings kommt es auch auf die Eigentumsverhältnisse der Erblasser an: Sind beide Elternteile Eigentümer der Immobilie, gilt auch jeweils der Freibetrag, insgesamt also 800.000 Euro. Der größte Teil aller Wohnhäuser in Deutschland dürfte unterhalb dieser Summe liegen. Wer also rechtzeitig reagiert, kann den Kindern die Steuerfreiheit quasi garantieren. Allerdings kann der Freibetrag nur einmal alle zehn Jahre ausgeschöpft werden. Wenn man eine Schenkung erst im hohen Alter veranlasst und kurz darauf verstirbt, hat man den Nachkommen mit der Aktion wenig geholfen. Sie müssten trotzdem Steuern zahlen.
Die Schenkung zu Lebzeiten ist aber nur ein Kapitel in der Immobilien-Finanzbiografie. Denn erstens treten häufig mehrere Erben auf den Plan. Und wenn einer von ihnen die Immobilie ganz übernehmen und einziehen möchte, muss er die anderen ausbezahlen. Deshalb empfehlen Vermögensverwalter ebenfalls, rechtzeitig Geld beiseitezulegen, um später etwa Geschwister auszahlen zu können.
Auch für eine Sanierung müssen Eigentümer und Erben Geld sparen. Die Bundesregierung plant neue Vorschriften für den Einbau von Heizungen. Nach einem Eigentümerwechsel, und dazu zählt auch eine Erbschaft, müssen veraltete Heizungen bereits heute Exklusivartikel Mai 2023 ausgetauscht werden. Bisher jedoch konnte man eine günstige Gasheizung mit einer günstigen Gasheizung ersetzen. Künftig dürfte aber der Einbau einer Wärmepumpe die Regel sein. Allein die Wärmepumpe schlägt, inlusive Installationskosten, mit 20.000 bis 30.000 Euro zu Buche. Mit weiteren Maßnahmen, etwa einer Geschossdeckendämmung oder dem Austausch von Heizkörpern, geraten Erben schnell in den sechsstelligen Bereich. „Da stellt sich die Frage, wie viele Immobilienbesitzer über so einen Betrag in liquiden Mitteln verfügen“, sagt Vermögensexperte Thaler.
Überhaupt ist fraglich, ob die Immobilie als Anlageobjekt und lukratives Erbstück auf Dauer funktioniert. Das gilt erst recht für vermietete Immobilien, sagt Nicolas Pilz von der Düsseldorfer Societas Vermögensverwaltung: „Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man mit der Anlage in Anleihen mittlerweile wieder Renditen erzielen kann, die deutlich über den Renditen von Mietobjekten liegen. Um im aktuellen Umfeld der Finanzierungszinsen von vier Prozent eine wirkliche Rendite zu erwirtschaften, muss ein Mietobjekt schon locker sieben bis acht Prozent brutto erwirtschaften, damit die Investition unter Berücksichtigung aller Faktoren wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Pilz. „Das ist derzeit quasi unmöglich.“ Die eigene Immobilie dürfte vielen Erben immer weniger Freude machen.
Erschienen am 12.3.2023 in Welt am Sonntag, von Michael Fabricius
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