03.06.2024

Fünf E-Autos fürs Volk

Das Angebot an bezahlbaren Elektro-Pkw nimmt zu. WELT hat einige interessante Modelle im Alltag getestet und bemerkenswerte Unterschiede ausgemacht.

Elektro für die Masse – so lautet das erklärte Ziel von Politik und Autoherstellern. Inzwischen wird diese Strategie mit Leben gefüllt. Denn es kommen immer mehr „normale“ E-Autos auf den Markt – also Fahrzeuge, die als alltagstauglich gelten, für die Verbraucher dennoch keine Oberklasse-Preise zahlen müssen.

WELT hat fünf besonders spannende Modelle jeweils mehrere Wochen in der Stadt, auf dem Land und der Autobahn getestet – und klare Favoriten identifiziert.

Honda e:Ny1

Hondas Elektro-Debüt war vielversprechend. Der Honda-e, der vor einigen Jahren auf den Markt kam, ist zwar ein spezielles Auto, aber ein gelungener Flitzer für die Stadt. Umso enttäuschender fiel der Alltagstest des Honda e:Ny1 aus. Der Wagen enttäuschte von Tag zu Tag mehr. Zuerst offenbarte sich der hohe Verbrauch. Er lag während des Tests zwischen 26 und 32 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometern, was für einen SUV in der Kompaktklasse ungewöhnlich viel ist. Entsprechend niedrig ist die Reichweite. In der Stadt waren maximal 250 Kilometer drin. Für die Autobahn ist dieser Honda sogar gänzlich ungeeignet. Denn wer mit Tempo 140 fahren will, müsste alle 150 Kilometer pausieren – und zwar ziemlich lange, denn die Ladegeschwindigkeit ist ebenfalls nicht sehr hoch. Auch der Spaßfaktor tendiert bei diesem Auto gen null. Die Beschleunigung ist erstaunlich träge. Der Hersteller erklärt dieses Manko jedoch zur Absicht. Man habe die elektrotypische Beschleunigung vermieden, „um der Reisekrankheit vorzubeugen“. Der eigentliche Skandal jedoch ist der Preis. Besser gesagt, es war der Preis. Der lag ursprünglich bei rund 48.000 Euro. Dass so viel Preis für so wenig Auto eine Frechheit ist, wurde auch den Honda-Managern schnell klar. Der Betrag wurde in einem ersten Schritt auf fast 40.000 Euro gesenkt. Doch damit nicht genug: Bis Ende Juni 2024 erhalten Privatkunden zusätzlich einen 9100-Euro-Rabatt.

Fazit: 30.000 Euro sind für einen kompakten Elektro-SUV ein guter Preis. Allerdings nur für einen guten Elektro-SUV. Davon jedoch kann beim e:Ny keine Rede sein.

Opel Astra electric

Dieser elektrische Opel kommt bescheiden daher. Lediglich ein dezentes „e“ deutet darauf hin, dass dieser Wagen eine Seltenheit ist. Ein batteriebetriebener Mittelklasse-Kombi, also eine klassische Familienkutsche, ist immer noch eine Rarität im E-Segment. Leider ist der Astra electric auch nur Mittelmaß. Viele Elektrofahrzeuge präsentieren sich im Inneren modern und minimalistisch. Der Astra nicht. Hier sieht alles aus wie immer. Das muss nicht schlimm sein, wäre die Zeit nur optisch stehen geblieben. Doch auch die Software ist altbacken. Eine kluge elektrische Routenplanung bietet Opel hier nicht an. Gute E-Fahrzeuge liefern auch in den anderen Kategorien bessere Werte. Der Astra erreicht mit durchschnittlich 18 kWh auf 100 Kilometern zwar einen vernünftigen Verbrauch. Doch die kleine Batterie lässt nur relativ geringe Reichweiten zu. In der Stadt sind es rund 300 Kilometer, auf der Autobahn nicht viel mehr als 200. Auch die Ladegeschwindigkeit überzeugt nicht vollends. Den angegebenen Maximalwert von 100 kW erreicht der Wagen an den Schnellladesäulen nur selten, meistens liegt er deutlich darunter. Die Folge: Auf längeren Reisen ist die Familie in ihrer „Kutsche“ viel länger unterwegs als bisher in ihrem Verbrenner.

Fazit: Diese Autos sind es, die die Menschen dann doch noch vom Umstieg auf die E-Mobilität abhalten. Zumal auch hier der Preis ein Manko ist. Kostet der Astra electric in der Basisversion rund 46.000 Euro, ist die Verbrenner-Variante fast 10.000 Euro günstiger. Hier gibt es wenig Gründe, den Kostennachteil in Kauf zu nehmen.

Hyundai Ioniq 6

Eine immer wiederkehrende Szene beschreibt die größte Stärke des Ioniq 6 am besten. Egal, wann der WELT-Autor mit dem Auto in die Ladeparks einfuhr, er hat sie immer als Erster verlassen. Die Ladegeschwindigkeit des zweiten vollelektrischen Hyundai ist bemerkenswert gut. Fast vergleichbar mit dem Level des Porsche Taycan, des absoluten Ladeweltmeisters. Der Ioniq 6 hat es dennoch nicht leicht. Denn die Erwartungen an dieses Auto sind groß. Mit seinem neuen Elektro-Exemplar hat Hyundai in Deutschland plötzlich etwas zu verlieren. Seinen guten Ruf. Man könnte es als Last des Erfolges bezeichnen, die nun auf dem Ioniq 6 liegt. Dieser Wagen ist das zweite vollelektrische Modell von der so hochgelobten E-Plattform der Koreaner. Dieser Wagen wird an dem gemessen, was sein Vorgänger konnte. Der Ioniq 5 gilt nämlich vielen Experten als erstes wirklich rundum gelungenes E-Auto, das nicht aus einer Tesla-Fabrik stammte. Gute Reichweite, schnelles Laden, schicke Optik, fehlerfreie Software – und das alles zu einem vernünftigen Preis.

Um es vorweg zunehmen. Der Ioniq 6 enttäuscht nicht. Das Design ist zwar Geschmackssache. Die subjektive Meinung des WELT-Testers lautet: Das Auto wirkt optisch wie eine krasse Mischung aus Tesla, Porsche und Käfer. Unstrittig ist der niedrige Verbrauch. In der Stadt lag dieser zwischen 15 und 16 kWh auf 100 Kilometern. Auf der Autobahn verbraucht das Auto selbst bei Tempo 140 maximal 25 kWh. Das ist ein guter Wert und bedeutet, dass man gute 300 Kilometer am Stück schafft. Und wie erwähnt: Die Ladepausen werden auf langen Reisen nicht besonders lang sein. Im Schnitt erreichte der Ioniq 6 während der Testfahrten Ladewerte von etwa 190 kW, in der Spitze sogar 230 kW. Das bedeutet: in 20 Minuten kommen wieder rund 250 Kilometer Autobahnreichweite dazu. Erwartbar gut funktioniert auch die elektrische Routenführung. Man sieht gut, wo die nächsten Säulen liegen, ob sie frei, belegt oder außer Betrieb sind – und wie schnell man dort laden kann. Hier kommt keine Reichweitenangst auf.

Fazit: Das Auto erreicht ein Level, welches an die vergleichbaren Modelle von Tesla heranreicht. Allerdings: Mit der großen 77-kWh-Batterie kostet der Wagen mehr als 60.000 Euro. Selbst abzüglich des aktuellen Sonderrabattes von 7000 Euro ist das ein stolzer Preis – den etwa das vergleichbare Model 3 von Tesla unterbietet.

Volvo EX30 TWIN

Der EX30 ist der Beginn einer neuen Elektro-Offensive der Schweden. Es handelt sich um einen kleinen SUV. Von außen schließt er an die guten modernen Volvos an, innen überrascht er mit einem schlanken und modernen Interieur. Die elektrische Routenplanung überzeugt, die Software funktioniert gut und gibt dem Fahrer die Sicherheit, immer zu wissen, wo sich die nächste Ladestation befindet, wie schnell diese lädt und mit wie viel Energie man dort dann ankommt. Die Bedienung ist jedoch ziemlich kompliziert und wenig intuitiv. Der Verbrauch soll laut Hersteller bei rund 17 kWh auf 100 Kilometern liegen, in der Realität sind es eher 22 kWh, was zu einer maximalen Reichweite von etwa 300 Kilometern führte. Man kann sich mit dem Auto zwar auf die Autobahn wagen, kommt dort aber nur knapp 250 Kilometer weit. Geschwindigkeiten jenseits von Tempo 120 sind nicht ratsam. Auch die Ladegeschwindigkeit schwankt stark. Sie kann bei 150 kW liegen, meistens sind es jedoch eher 80 kW. Das bedeutet, während des Tests muss auf Fernstrecken meistens rund 30 Minuten pausiert werden, um neue 150 Kilometer Reichweite nachzuladen. Der Preis der von WELT getesteten TWIN-Motor-Variante liegt bei gut 50.000 Euro, was sehr viel für einen Wagen dieser Größe ist.

Fazit: Der erste vollelektrische Volvo ging im Jahr 2020 mit dem XC40 Recharge (heute EX40) an den Start. Von einem echten Entwicklungssprung innerhalb von vier Jahren – wie ihn etwa Mercedes, BMW oder auch VW hingelegt haben – , kann keine Rede sein. Da hätte man für den EX30 mehr Fortschritt erwarten können.

Toyota bZ4X

„Was für ein langweiliges Oma-Auto“, rief das Patenkind des WELT-Testers gleich auf der ersten Fahrt von der Rückbank herüber. Es hatte recht. Der erste rein elektrische Toyota mit dem seltsamen Namen ist eine Enttäuschung. Schon optisch ist der Wagen langweilig. Das wäre noch vertretbar, wenn er stattdessen bei den wichtigen Kriterien überzeugen würde. Tut er aber nicht. Eine elektrische Routenplanung ist mit dem bZ4X nicht machbar. Die Navigation ist lächerlich schlecht: mit viel Mühe findet man irgendwo Ladesäulen auf der Karte, ohne zu erkennen, ob sie frei sind oder wie schnell man dort lädt. Ein Hinweis, mit welcher Geschwindigkeit das Auto gerade lädt, fehlt ebenfalls. Dabei wären diese Informationen wichtig. Denn die Reichweite ist ebenfalls mäßig. Ladegeschwindigkeiten von 50 bis 70 kW an den Hochleistungssäulen sind enttäuschend. Immerhin: Mit den Preisen ist Toyota inzwischen deutlich nach unten gegangen. Inklusive aller Rabatte ist der Wagen für inzwischen rund 35.000 Euro zu haben.

Fazit: Da benötigt Toyota so viele Jahre, um endlich ein erstes Elektroauto auf den Markt zu bringen und dann kommt mit dem bZ4X ein so halbherziges Ergebnis heraus. Dieses Auto besitzt das Niveau der Elektromobilität von vor fünf Jahren. Ein Armutszeugnis für den immer noch größten Autobauer der Welt.

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