09.01.2024

Neues Jahr, neue Steuer

Millionen Sparern droht erstmals eine zusätzliche Abgabe. Betroffen sind alle Fonds- oder ETF-Besitzer. Wer die Zahlung minimieren will, sollte handeln.

Das Jahr 2023 war für Sparer und Anleger recht erfreulich, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Denn die Börsen legten gerade zum Jahresende deutlich zu, der Deutsche Aktienindex verzeichnet seit Jahresbeginn ein Plus von rund 20 Prozent. Zudem gibt es erstmals seit Jahren wieder Zinsen, auf Tagesgeldkonten derzeit immerhin rund vier Prozent.

Diese Kombination hat nun allerdings zur Folge, dass Millionen Sparern zu Beginn des neuen Jahres eine Steuerzahlung droht. Denn erstmals seit einigen Jahren wird die sogenannte Vorabpauschale wieder fällig, eben weil es nun wieder Zinsen gibt und gleichzeitig die Börsenkurse gestiegen sind. Die daraus resultierende Steuerzahlung betrifft alle, die Geld in Fonds oder ETFs investiert haben – auch und gerade, wenn sie diese nicht verkauft haben, sondern weiter halten. Mit einer einfachen Maßnahme können viele die Zahlung jedoch zunächst umgehen.

Grundlage für die Steuer ist die 2018 in Kraft getretene Investmentsteuerreform. Mit ihr beseitigte der Fiskus die ungleiche Behandlung von Fonds und ETFs, die Dividendenzahlungen ausschütten, gegenüber jenen, die sie thesaurieren, also ansammeln und reinvestieren. Denn bis 2018 mussten Ausschüttungen zwar stets unmittelbar vom Anleger versteuert werden, die thesaurierten Erträge jedoch nicht. Diese steigerten vielmehr den Fondswert, und erst, wenn der Anleger seine Fondsanteile verkaufte – oft viele Jahre später – , wurde der Gesamtgewinn versteuert.

Mit der Vorabpauschale sollen auch bei den thesaurierenden Fonds jedes Jahr die angesammelten Erträge besteuert werden, und dies geschieht in pauschalisierter Form – daher der Begriff Vorabpauschale. Die Gesamtbelastung erhöht sich dadurch nicht, denn die vorab gezahlten Steuern werden später beim Verkauf des Fonds berücksichtigt und verrechnet. Allerdings müssen Anleger dennoch einige Dinge beachten, mitunter erstmals.

In den vergangenen Jahren griff die Steuer nicht, obwohl das Gesetz bereits in Kraft war. Das liegt daran, dass der Zins über Jahre bei Null oder sogar darunter lag. Denn die Grundlage für die Berechnung der Vorabpauschale ist der sogenannte Basiszinssatz, der von der Bundesbank berechnet wird, auf Grundlage des aktuellen Leitzinses. Für die Jahre 2022 und 2023 lag er bei Null – die Vorabpauschale betrug damit ebenfalls Null. 2021 hatte der Basiszins bei 0,07 Prozent gelegen, 2020 bei 0,52 Prozent und 2019 bei 0,87 Prozent. Damals wurden zwar Vorabpauschalen fällig, diese waren jedoch sehr gering – weit niedriger als jetzt. Denn für die nun anstehende Berechnung hat die Bundesbank den Satz auf 2,55 Prozent festgelegt. Damit kommen nun erstmals relevante Steuersummen auf die Anleger zu.

Zu deren Berechnung wird zunächst ermittelt, ob der Fonds oder ETF im vergangenen Jahr an Wert zugelegt hat. Ist dies nicht der Fall, so entfällt die Vorabpauschale und es wird keine Steuer fällig. Dies dürfte allerdings nur auf wenige Anleger zutreffen. Gab es einen Wertzuwachs, wird der sogenannte Basisertrag berechnet. Ausgangspunkt dafür ist der Fondswert zu Beginn des Steuerjahres, also am 2. Januar 2023. Hiervon werden 2,55 Prozent veranschlagt. Bei einem Fondswert von 100.000 Euro wären das also 2550 Euro. Davon werden jedoch pauschal 30 Prozent abgezogen – dies soll Kosten im Fonds berücksichtigen. Somit beträgt der Basisertrag im Beispiel 1785 Euro.

Dieser Betrag wird nun mit etwaigen Ausschüttungen des Fonds verglichen. Waren diese 2023 höher, so fällt ebenfalls keine Vorabpauschale an, denn dann wurden ja bereits Steuern auf die Ausschüttungen gezahlt. Ist der Basisertrag jedoch höher als die Ausschüttungen – und das betrifft praktisch alle thesaurierenden Fonds – , dann wird in einem weiteren Schritt ermittelt, ob der Wertzuwachs des Fonds vom 2. Januar 2023 bis zum 2. Januar 2024 und etwaige Ausschüttungen zusammen höher waren als der Basisertrag.

Ist dies nicht der Fall, was vor allem dann zutrifft, wenn der Wertzuwachs sehr gering war, dann wird der Wertzuwachs als Vorabpauschale definiert. Waren Wertzuwachs und Ausschüttungen jedoch größer – und dies dürfte angesichts des guten Börsenjahres 2023 wiederum auf fast alle thesaurierenden Fonds zutreffen – , wird der Basisertrag als Vorabpauschale festgelegt.

Die so ermittelte Vorabpauschale ist praktisch ein fiktiver Gewinn, den der Anleger mit den nicht erfolgten Ausschüttungen, also mit der Thesaurierung, erzielt hat. Es wäre auch möglich, von jedem einzelnen Fonds den tatsächlichen Gewinn aus solchen Erträgen berechnen zu lassen, das wäre jedoch ungleich aufwendiger. Daher wurde diese pauschalisierte Form geschaffen.

Auf die so errechnete Vorabpauschale wird die Kapitalertragssteuer fällig, also 25 Prozent, plus je nach Einzelfall eventuell Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Allerdings in vielen Fällen auch wieder nicht auf die gesamte Vorabpauschale. Denn ein Teil davon wird oft steuerlich freigestellt. Damit wird berücksichtigt, dass seit 2018 Dividenden und Mieterträge mit 15 Prozent Körperschaftssteuer belegt werden, die bereits vom Fonds abgeführt wurden.

Da davon nur Aktien und Immobilien betroffen sind, ist die Teilfreistellungsquote jedoch unterschiedlich hoch, je nach Fonds. Enthält dieser mindestens 51 Prozent Aktien, so liegt sie bei 30 Prozent, beträgt der Aktienanteil 25 bis 50 Prozent, so sinkt sie auf 15 Prozent, ist der Aktienanteil noch geringer, entfällt sie ganz. Für Offene Immobilienfonds wiederum liegt sie bei 80 Prozent, wenn mehr als die Hälfte der Immobilien im Ausland liegt, sonst bei 60 Prozent.

Angenommen, der Anleger im obigen Beispiel hat sein Geld in reine Aktienfonds investiert, dann beträgt die Teilfreistellungsquote 30 Prozent, und die Vorabpauschale verringert sich dadurch von 1785 auf 1250 Euro. Hiervon muss er nun Anfang Januar 2024 inklusive Solidaritätszuschlag 26,375 Prozent abführen, also 329,56 Euro. Wie viel es im jeweiligen persönlichen Fall ist, können Anleger auf diversen Internetseiten ausrechnen lassen, beispielsweise auf finanzfluss.de oder zendepot.de.

Wurden Fondsanteile unterjährig gekauft, so berechnet sich die Vorabpauschale als Bruchteil entsprechend der Haltedauer. Bei Sparplänen wird das recht kompliziert, denn hier müssen die jeweiligen Käufe jeweils einzeln berücksichtigt werden. Diese Berechnung nimmt jedoch die Depotbank vor. Und diese zieht den fälligen Steuerbetrag schließlich entweder vom Verrechnungskonto des Anlegers ein, oder sie verkauft Fondsanteile im entsprechenden Wert. Die Praxis unterscheidet sich je nach Bank. Oft können Sparer auch selbst festlegen, welchen Weg sie bevorzugen. Wünschen sie, dass keine Fondsanteile verkauft und stattdessen das Geld vom Verrechnungskonto eingezogen wird, muss dieses allerdings eine entsprechende Deckung aufweisen.

Noch wichtiger ist jedoch, dass Anleger der Bank oder dem Online-Broker einen Freistellungsauftrag erteilen. Denn 1000 Euro an Kapitalerträgen sind pro Person steuerfrei, und da die Steuer auf die Vorabpauschale in jedem Jahr das allererste Ereignis in einem Depot ist, kann diese hier voll greifen. Bis zu 1000 Euro können also von der Vorabpauschale abgezogen werden, die Steuer fällt dann nur auf den Restbetrag an. Der Anleger im obigen Beispiel müsste dadurch nur noch 65,90 Euro abführen.

Anleger sollten also jetzt noch ihre Freistellungsaufträge überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Allerdings: Wird der Freistellungsauftrag gleich zu Beginn des Jahres für die Vorabpauschale verwendet, kann er später im Jahr nicht mehr bei anderen Erträgen greifen, also beispielsweise bei Zinszahlungen. Und die Gesamtsumme der Freistellungsaufträge darf natürlich 1000 Euro nicht übersteigen.

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