19.07.2022

Frisches Geld für deutsche Gründer

Der Berliner Investor Project A legt einen 355 Millionen Euro schweren Fonds für Start-ups in der Frühphase auf. Und das ausgerechnet inmitten der Tech-Krise

Einer der wichtigsten deutschen Start-up-Finanzierer bringt frisches Geld in den Markt. Project A aus Berlin starte dafür mit einem neuen, gut 355 Millionen Euro schweren Fonds, sagte Project-A-Mitgründer Florian Heinemann WELT. Mit dem Geld, das von professionellen Anlegern wie Pensionsfonds, Unternehmen und vermögenden Privatleuten stammt, will Project A wachstumsorientierte Start-ups direkt nach der Gründung unterstützen. Der Fonds kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Tech-Unternehmen an der Börse weltweit stark an Wert verloren haben.

Der neue Fonds ist bereits der vierte seit der Gründung von Project A vor zehn Jahren – und zugleich der größte.

Zu den bekanntesten unterstützten Unternehmen gehören die Digital-Spedition Sennder, der Roller-Verleiher Voi, der eCommerce-Software-Anbieter Spryker und der Online-Broker Trade Republic. Mit dem eingesammelten Geld will Project A 25 bis 30 Start-ups anschieben, mit jeweils zunächst bis zu zehn Millionen Euro. Nachinvestments sind bei Erfolg möglich.

Project A konkurriert mit seinem Modell mit anderen Frühphaseninvestoren im deutschsprachigen Raum um erfolgversprechende Gründer. Diese Woche meldet auch der High Tech Gründerfonds, an dem neben privaten Geldgebern auch die staatliche Förderbank KfW und das Bundeswirtschaftsministerium beteiligt sind, eine neue Fondsgeneration mit bislang 420 Millionen Euro. Das zeigt, dass sich trotz der Unsicherheiten am Markt weiterhin Investoren für Risikokapital finden.

Project A erwirtschaftet Rendite, indem es als einer der ersten Investoren bereits in der Gründungsphase in erfolgversprechende junge Unternehmen investiert. Mit 120 eigenen Experten unterstützen die Berliner die Gründer beim Aufbau ihrer Unternehmen und auch dabei, in weiteren Wachstumsrunden weitere Geldgeber zu finden. Lukrativ wird es, wenn die Firmenanteile einige Jahre später mit Gewinn weiterverkauft werden können: entweder an andere Start-up-Investoren, einen strategischen Käufer des Start-ups oder bei einem Börsengang.

Einkalkuliert im Geschäftsmodell ist, dass ein Großteil der Start-ups scheitert.

Den aktuellen Einbruch bei den Bewertungen von Tech-Unternehmen sieht Chefinvestor Uwe Horstmann nicht als Hindernis für den neuen Fonds – obwohl etwa der deutsche Technologie-Börsenindex TechDax seit Jahresanfang ein Viertel an Wert verloren hat: „Jedes Investment, das wir heute tätigen, hat einen Zehnjahreshorizont bis zum Exit“, sagte Horstmann. Bis dahin habe sich der Markt voraussichtlich noch mehrfach gedreht. Der Einstieg als Frühphaseninvestor sei in diesem Marktumfeld womöglich attraktiver: „Es kann nicht schaden, wenn sich nicht alle Investoren darum prügeln, möglichst hohe Bewertungen zu zahlen.“

Auch Start-up-Experte Julian Riedlbauer von der Beratung GP Bullhound plädiert für Neuinvestitionen gerade in der Schwächephase: „Jetzt ist eine super Zeit für neue Investments in Start-ups, weil Investoren zu realistischen Preisen einsteigen können. Daher sind die Aussichten gut, in fünf bis zehn Jahren bei einem Exit gute Renditen zu erzielen.“

Project A habe sich einen guten Ruf am Markt erarbeitet, sagte er. Die bisherigen Fonds des Investors hätten offenbar gutRenditen gebracht, schließlich seien einige mit über eine Milliarde Euro bewertete Unternehmen, im Szene-Jargon Einhorn genannt, daraus entstanden. „Wenn Einhörner aus einem Frühphasen-Fonds hervorgehen, ist dessen Performance meist schon gut gesichert“, sagte Riedlbauer. Das kompensiere andere Gründungen, die scheitern oder zumindest Erwartungen verfehlen.

Detaillierte Angaben zur Rendite der bisherigen Fondsgenerationen macht Project A nicht.

Allerdings liege der Investor mit über 20 Prozent Rendite auf das Investment im obersten Viertel der Vergleichsgruppen, sagte Horstmann. „Als Frühphaseninvestor bereiten uns Bewertungen aus späten Wachstumsrunden, die wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, wenig Probleme“, sagte er. „Die Entwicklung spricht dafür, dass die Bewertungen für neue Investments gesünder werden. Das finden wir natürlich gut.“

Während die erste Fondsgeneration vor zehn Jahren noch von der Handelsgruppe Otto und dem Medienhaus Axel Springer, zu dem WELT gehört, allein finanziert wurde, hat ProjectA inzwischen längst eine Vielzahl von Geldgebern an Bord. Das größte Finanzvolumen stemmen dabei institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und der US-Fondsanbieter Top Tier. Dazu kommen klingende Namen aus der deutschen Wirtschaft wie Deichmann und erstmals auch der Dax-Konzern Henkel. Zudem sind Gründer wie About-You-Chef Tarek Müller und die Berliner Angel-Investorin Verena Pausder beteiligt.

Der Schuhhändler Deichmann erhoffe sich von dem Investment weitere Impulse für den Umbau zum Händler, der in Filialen und online aktiv ist, erklärte ein Unternehmenssprecher: „Dabei verändern sich die technischen Rahmenbedingungen weiterhin mit zunehmendem Tempo. Ein intensiver Blick auf die Start-up-Szene ist daher eine logische Konsequenz.“ Auch Axel Springer verbindet mit Project A strategische Interessen. „Über Projekt A erhält Axel Springer Zugang zu einem sehr relevanten Netzwerk und zu interessanten Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Fonds auch finanziell sehr attraktiv sind“, teilte ein Sprecher mit.

Horstmann sieht als erfolgversprechende Felder für den neuen Fonds etwa digitale Gesundheit und IT-Infrastruktur, also vor allem Geschäftsmodelle, in denen Unternehmen untereinander Geschäfte machen.

„Wir wollen nicht auf die Hype-Themen aufspringen, sondern gezielt hoffnungsvolle Start-ups auswählen“, sagte Horstmann. Der Ukraine-Krieg lasse zudem erwarten, dass Start-ups, die Europas digitale Souveränität sichern, ebenfalls gefragter würden – etwa bei Chips und Künstlicher Intelligenz.

Ein weiteres Feld für den neuen Fonds seien digitale Geschäftsmodelle in der Finanzwirtschaft, sogenannte FinTechs. Hier hat Project A gute Erfahrungen mit Trade Republic gesammelt. Der Online-Broker hat zuletzt weitere 250 Millionen Euro bei Risikokapitalgebern eingesammelt. Er ist allerdings auch ein Beispiel dafür, wie die Branche wegen der zurückgehenden Bewertungen zunehmend auf Effizienz setzt: Nach rasantem Wachstum hat Trade Republic angekündigt, einige der über 700 Arbeitsplätze abbauen zu wollen.

„Alle Investoren legen jetzt mehr Wert auf kapitaleffizientes Wachstum als auf möglichst große Reichweiten“, sagte Project-A-Mitgründer Florian Heinemann über den Gesamtmarkt. „Einige Firmen haben im vergangenen Jahr deutlich mehr Geld bekommen, als ihnen guttut. Denen wird der Bewertungsrückgang massiv Schaden zufügen“, warnte er.

Allerdings seien die meisten älteren Start-ups so gut finanziert, dass sie eineinhalb bis zweieinhalb Jahre Krise ohne neue Finanzierung überstehen könnten, wenn sie sparsam wirtschafteten.Geschäftsmodelle, die sich wie eCommerce an Endkunden richten, seien für Investitionen inzwischen weniger interessant, meint Horstmann. Trotz des Hypes um Schnelllieferdienste wie Gorillas, das derzeit ebenfalls Arbeitsplätze streicht. So werde Project A im eCommerce wohl allenfallsPrivate Equity in reife Unternehmen stecken. Im Bereich Private Equity verbündet sich Project A mit größeren Spielern, um – ähnlich wie bei den Start-ups – mit seinem Wissen etablierte Unternehmen beim Umbau zu unterstützen.

Erschienen am: 15.6.2022 in DIE WELT, von Christoph Kapalschinski

 

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