04.12.2024
Über das Erbbaurecht können Familien günstiger zu Wohneigentum gelangen als mit einem klassischen Kauf. Doch etliche Banken tun sich schwer, Kredite für solche Vorhaben zu bewilligen. Ein Ratgeber:
Ganz gleich, wer in den vergangenen Jahren Bundesbauminister war oder noch ist: Für das deutsche Erbbaurecht gibt es aus allen politischen Lagern meist überschwängliches Lob. Es könne „einen Beitrag zur Bereitstellung von Bauland für den bezahlbaren Wohnungsbau leisten“, heißt es in einer 2020 unter der Ägide von CSU-Minister Horst Seehofer veröffentlichten Dokumentation im Rahmen der Wohnraumoffensive. „Das Erbbaurecht ist eine zentrale Stellschraube, um Kosten für den Wohnungsbau zu senken“, schreibt das Ministerium unter der heutigen Amtsinhaberin Klara Geywitz (SPD).
Ist das Erbbaurecht also die lang gesuchte Wundertüte und eine Alternative für die Eigentumsbildung in Zeiten hoher Kosten? Leider ist es nicht so einfach. Interessenten müssen einerseits hartnäckig nach Objekten suchen und andererseits ihre Bank überreden, mitzumachen.
Erbbaurechtgeber, also Kommunen, Kirchen, kirchliche Stiftungen und private Grundeigentümer, finden es zuweilen schwierig, Grundstücke zu verpachten. Das zeigt eine Umfrage des Deutschen Erbbaurechtsverbands unter dessen Mitgliedern. Knapp die Hälfte der 80 Befragten kritisiert, dass Banken sich schwer tun würden, Kredite für den Bau neuer oder bestehender Eigenheime und Mehrfamilienhäuser auf Erbbauarealen bereitzustellen. „Die Finanzierungspraxis der Banken und die Nachteile bei der Vermarktung von Erbbaugrundstücken hängen eng zusammen“, sagt Verbandspräsident Ingo Strugalla.
Über das Erbbaurecht können Familien preiswert Wohneigentum erwerben, und Immobiliengesellschaften können günstiger Wohnraum schaffen, da sie die Grundstücke nicht erwerben, sondern nur pachten. Die Pachtverträge haben in der Regel eine Laufzeit von 99 Jahren. Das ermöglicht es den Pächtern, die Immobilie an ihre Kinder zu vererben – woher der Name für dieses Modell des Wohneigentumerwerbs stammt.
Nach Ablauf der 99 Jahre entscheidet der Erbbaurechtgeber, ob er den Pachtvertrag verlängert. Geschieht dies nicht, muss er die darauf stehenden Immobilien von deren Besitzern zu einem Preis erwerben, der mindestens zwei Dritteln des aktuellen Verkehrswerts entspricht. Hingegen können die Besitzer der auf den Flächen errichteten Häuser diese während der Laufzeit des Pachtvertrags jederzeit verkaufen.
Der Pächter muss dafür in monatlichen Raten den sogenannten Erbbauzins zahlen, der je nach Vertrag alle fünf bis zehn Jahre an die Inflationsrate angepasst wird. „Der Erbbauzins beträgt im Durchschnitt 3,7 Prozent des Verkehrswerts der Fläche“, sagt Matthias Barthauer, Researcher der Immobilienberatungsgesellschaft JLL, der den Markt für Erbbaugrundstücke in einer Studie analysiert hat.
„Dabei profitieren die Pächter davon, dass der Verkehrswert der Grundstücke in Deutschland zumeist deutlich unter deren Marktwert liegt“, sagt der Ökonom Günter Vornholz, Inhaber der ImmobilienResearch-Gesellschaft in Lüdinghausen. Der Verkehrswert werde von unabhängigen Sachverständigen ermittelt und spiegele den nachhaltig erzielbaren Preis einer Fläche wider. Der Marktwert dagegen wird durch knappes Bauland nach oben getrieben und ist vor allem in den gefragten Städten unbezahlbar.
Damit ist der Pachtbetrag oftmals niedriger als die Zinszahlung, die Käufer aktuell leisten müssten, wenn sie ein Grundstück kreditfinanziert erwerben würden. Ein Beispiel: Der Verkehrswert einer Baufläche beträgt 100.000 Euro. Der durchschnittliche Erbbauzins würde in diesem Fall 3700 Euro pro Jahr oder 308,33 Euro pro Monat betragen. Um das Grundstücke zu kaufen, müsste hingegen der Marktwert gezahlt werden. Angenommen, das wären 150.000 Euro und der Zins läge bei 3,23 Prozent, was laut Kreditvermittler Interhyp zurzeit auch nur bonitätsstarke Top-Kunden erhalten, dann beliefen sich allein die jährlichen Zinszahlungen auf 4845 Euro. Bei einer anfänglichen Tilgungsrate von zwei Prozent müsste der Erwerber sogar eine Belastung von 7845 Euro pro Jahr oder 653,75 Euro pro Monat stemmen – mithin mehr als das Doppelte der Erbbauzinszahlung. Dennoch würde es bei unveränderter Höhe der Zinsen 33 Jahre und acht Monate dauern, bis dieser Kredit endgültig getilgt und das Grundstück im Besitz des Käufers wäre.
Über Erbbauverträge können auch Familien mit geringerem Einkommen Wohneigentum erwerben, weil die Belastung deutlich geringer ist, als wenn sie zusätzlich zur Immobilie auch noch das Grundstück erwerben müssten“, sagt Vornholz. Das erkennen auch immer mehr Städte und Gemeinden. Statt eigene Flächen für Bauvorhaben zu verkaufen, verpachten sie diese. Spitzenreiter ist Lübeck. Rund 8500 Grundstücke hat die zählende Hansestadt im Erbbaurecht verpachtet.
„Immer mehr Kommunen gehen aktuell wieder dazu über, Grundstücke im Erbbaurecht zu vergeben“, bestätigt JLL-Researcher Barthauer. Aktuell seien rund fünf Prozent aller für Wohn- und Gewerbezwecke genutzten Grundstücke in Deutschland im Erbbaurecht gepachtet.
Doch die Pläne der Erbbaurechtsgeber und der Traum vieler Familien vom günstigen Weg zum eigenen Heim könne zuweilen noch an der mangelnden Bereitschaft von Banken scheitern, die zu wenig Erfahrung mit der Finanzierung haben, sagt Michael Jung, Vorstandsmitglied im Deutschen Erbbaurechtsverbands sowie Geschäftsführer der auf die Bewirtschaftung und Bebauung von Erbbaugrundstücken spezialisierten Continuum Capital Investment Management in Frankfurt. Allgemeine Geschäftsbanken täten sich oft schwer mit Erbbaugrundstücken. Dagegen sei „die Zusammenarbeit mit spezialisierten Immobilienfinanzierern oder auch örtlichen Sparkassen in der Regel problemlos, da diese eng mit den Kommunen verbunden sind, die Erbbaugrundstücke besitzen.“
Dies liege auch an einem bereits am 8. Juni 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise verfassten Rundschreiben der BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an die Pfandbriefbanken, sagt Jung. „Das Papier sorgt bis heute für Verunsicherung bei Kreditgebern.“ In dem Schreiben werden diverse Methoden dargelegt, die zur Ermittlung des Beleihungswertes von Immobilien auf Erbbauflächen verwendet werden können. Allerdings kommen die im BaFin-Rundschreiben präsentierten Berechnungsmethoden oft zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen, und das bei ein und demselben Objekt. Kreditsachbearbeiter würden sich dann oft für den niedrigeren, konservativen Wert entscheiden, und entsprechend falle die verfügbare Kreditsumme oft zu klein aus. „Eine Klarstellung durch die BaFin oder das Bundesfinanzministerium würde die Finanzierung vereinfachen“, sagt Jung.
Außerdem dürfen Banken nur solche Darlehensnehmer akzeptieren, die in der Lage sind, den Kredit mindestens zehn Jahre vor Ablauf des Erbbauvertrags zu tilgen. „Nicht wenige Käufer von bestehenden Eigenheimen auf Erbbaugrundstücken können sich aber nur eine anfängliche Tilgungsrate von 1,5 Prozent leisten“, sagt Ringo Hellwig, Spezialist für Baufinanzierung beim Immobilienkreditvermittler Dr. Klein in Lübeck. Mit solchen Raten dauere es 30 Jahre und mehr bis zur vollen Rückzahlung. Manchmal jedoch läuft der Erbbauvertrag schon nach 35 Jahren aus. Hier immerhin können die Erbpachtgeber, also Grundstückseigentümer wie Kirchen und Gemeinden, immerhin die Pacht einfach rechtzeitig verlängern.
Das Timing ist nicht alles. Auch die Bonitätsprüfungen sind strenger, weil der Zins alle fünf oder zehn Jahre je nach Inflation erhöht werden kann und die Bank sichergehen muss, dass der Kreditnehmer mitgehen kann. Die Klosterkammer Hannover, mit rund 17.000 verpachteten Flächen der größte Erbbaurechtsgeber in Deutschland, hat in diesem Jahr bei rund 2000 zur Neukalkulation anstehenden Verträgen deutliche Preisanpassungen von bis zu 25 Prozent vorgenommen. Das immerhin können Kreditnehmer beeinflussen, in dem sie beispielsweise Bürgschaften aus der Verwandtschaft einholen.
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