10.06.2025
Oft ist die Steuerlast für vererbte Immobilien groß. Deshalb kann es viel Geld sparen, das Eigenheim noch zu Lebzeiten zu verschenken und dabei ein Benutzungsrecht zu vereinbaren.
Die jetzige Erbengeneration ist eine Generation der künftigen Hauseigentümer: Laut Statista werden jedes Jahr in Deutschland 430.000 Immobilien vererbt, Tendenz steigend. Etwa 46 Prozent der Erbschaften enthalten Wohneigentum.
Im Zuge der steigenden Immobilienpreise erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Immobilienerbschaft in den steuerlich relevanten Bereich fällt. Zwar gilt für jedes Kind ein Steuerfreibetrag von 400.000 Euro – zwei direkte Nachkommen können somit zusammen eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro erben, ohne Steuern zahlen zu müssen. Falls das Immobilieneigentum beiden Eltern gehört, gilt außerdem ein Freibetrag von 400.000 Euro für jeden der Elternteile, beide zusammen könnten also ebenfalls eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro an ein Kind vererben.
Doch erstens gibt es eben nicht immer zwei Nachkommen oder zwei Eltern, und zweitens kann ein größeres Haus in guter Lage inzwischen leicht einen Wert von 400.000 Euro übersteigen. Viele Erblasser denken deshalb darüber nach, das Eigentum noch zu Lebzeiten nach §516 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verschenken und einen Nießbrauch zu vereinbaren, nach §1030 ff. BGB. Das hat mehrere Vorteile: Die Eltern haben mit dem Nießbrauch nicht nur ein lebenslanges Wohnrecht, sondern auch ein Nutzungsrecht. Sie könnten also, wenn sie beispielsweise frühzeitig ausziehen müssen und in ein Pflegeheim oder eine kleinere Wohnung wechseln, das Wohneigentum vermieten.
Vor allem aber gibt es entscheidende Steuervorteile. Für die Schenkung gilt ebenfalls der Freibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil und Kind. Dieser Freibetrag erneuert sich alle zehn Jahre. Wer also frühzeitig verschenkt, kann nach zehn Jahren erneut den Freibetrag ausschöpfen und weiteres Bargeld oder andere Vermögensgüter verschenken oder steuerfrei vererben. Der Nießbrauch selbst bringt einen weiteren Vorteil. Er senkt den vom Finanzamt berechneten Wert der Schenkung der Immobilie. Denn das lebenslange Nutzungsrecht birgt viele Unwägbarkeiten, eventuelle Sanierungskosten und vor allem eine sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Immobilie wirtschaftlich zu nutzen.
Diese Wertminderung kann bei Nießbrauch je nach Lebenserwartung der Schenker durchaus 30 bis 40 Prozent des Verkehrswerts erreichen. Hat eine Immobilie also einen Verkehrswert von 600.000 Euro, – damit läge sie bei nur einem Beschenkten deutlich oberhalb des Steuerfreibetrags –, könnte der Nießbrauch mit 200.000 Euro bewertet werden. Die Immobilie hätte dann einen Schenkungswert von 400.000 Euro und läge auf der Höhe des Freibetrags: Der Beschenkte muss keine Steuern zahlen.
Darüber hinaus allerdings gibt es in Deutschland, anders als in Österreich oder Großbritannien, keinen steuerlichen Abschmelzeffekt, der schon im ersten Jahr nach der Schenkung einsetzt. Auch fünf oder neun Jahre nach der Schenkung ist der volle Freibetrag also noch „blockiert“. Wenn ein verwitweter Elternteil früher als zehn Jahre nach der Schenkung verstirbt, wird zusammengezählt: Wird noch zusätzliches Bargeld vererbt, fällt darauf bei einem Immobilienwert von 400.000 Euro Erbschaftsteuer an. Was den errechneten Immobilienwert angeht, gibt es nun zwei Nießbrauchsfallen, über die sich die Nutzer im Klaren sein sollten und die Auswirkungen auf die Besteuerung haben können. Erstens: Wenn der ursprüngliche Eigentümer der Immobilie früher stirbt als erwartet, also etwa schon drei Jahre nach Schenkung und Nießbrauchstart, mindert das den ursprünglichen Nießbrauchswert.
Statt 200.000 Euro Wertminderung könnte der Fiskus also nur 24.000 Euro festlegen: Der Wert von 600.000 Euro wäre dann nur auf 576.000 Euro reduziert, der Erbe muss 176.000 Euro versteuern. Nach §19 Erbschaftssteuergesetz gilt dann ein Steuersatz von elf Prozent – 19.360 Euro gehen ans Finanzamt. Diese Steuerfalle lässt sich unter Umständen umgehen, indem man zum Zeitpunkt der Schenkung ein Verkehrswertgutachten erstellen lässt, das die gesamte Nießbrauchswertminderung berücksichtigt. Wird dieses vom Finanzamt akzeptiert, gibt es keinen teilweisen Abzug bei dieser Minderung.
Die zweite Nießbrauchsfalle trifft die Erben, die häufig auch die Immobilien-Beschenkten sind und die Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt sind. Laut Rechtsanwalt Alexander Bars kommt es gar nicht selten vor, dass Eltern ihre Immobilie nur einem der Nachkommen schenken. Die vorab beschenkten Erben würden häufig davon ausgehen, dass sie nach zehn Jahren gegenüber ihren Miterben „fein raus“ sind, also nichts von dem Immobilienwert abgeben müssen. Dem ist nicht so. Grundsätzlich gelten Erbschafts-Pflichtteile, laut § 2303 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wenn also ein noch verheirateter Vater stirbt, dem die Immobilie zu hundert Prozent gehört, hätte ein enterbtes Kind bei zwei Kindern noch Anspruch auf ein Achtel des Wertes.
Wenn die Eltern dem zuvorkommen wollen, indem sie eine Immobilie beispielsweise an ihre Lieblingstochter verschenken, gleichzeitig aber Nießbrauch vereinbaren, hat die Tochter ein Problem: „Der Nießbrauch fixiert gewissermaßen den Pflichtteil des Immobilienwerts zum Zeitpunkt der Schenkung“, sagt Bars. Im oben genannten Fall müsste die Tochter also ein Achtel des Immobilienwerts, eventuell abzüglich des Nießbrauchswerts an das ungeliebte enterbte Geschwisterkind für dessen Pflichtteil abgeben.
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